Paraiso – Das verborgene Paradies
Rezension von Svenja Stepper
Samstagabend. 20.00 Uhr. Ein Glas Sauvignon Blanc. Zeit für mich. Zeit für ein gutes Buch. Noch besser, dass mir der Autor persönlich bekannt ist. Es ist sein Erstlingswerk. Und beides weckt natürlich meine Neugier. Zwei Tage und 294 Seiten später fasse ich den Entschluss, die erste Buchrezension meines Lebens zu schreiben. Warum? Lesen Sie die folgenden Zeilen…
Fünf Dinge, die Paraiso von Christoph Dehn zu einem absolut lesenswerten Roman machen
1. Die Geschichte
Im Klappentext heißt es: „Zwei Tote geistern nachts durch die Träume von Jan Grosz. Ein korrupter Bischof und die Chefin einer Entwicklungsorganisation kamen vor einem Vierteljahrhundert in den Philippinen zu Tode. Jan hatte die Ereignisse in Bewegung gesetzt, bei denen sie ihr Leben verloren. Welche Schuld trägt er an ihrem Tod? Was haben die gestürzte Marcos-Diktatur und die Krise der radikalen Linken mit den Todesfällen zu tun? Jan bricht zu den Philippinen auf und beginnt die Suche nach Antworten im Land seiner Vergangenheit.“ Den Lesenden erwartet ein politischer Roman mit unterschiedlichen Zeitebenen. Er bleibt stets im Windschatten des Protagonisten Jan. „Jan, was suchst du?“ ist die Frage, auf die unser Protagonist langsam aber stetig Antworten findet. Es geht um Schuld und Verantwortung. Um Jans ganz persönlichen Lebensbericht. Aber auch darum, dass Liebe jeden Ort zur Heimat werden lässt.
2. Die richtigen Worte
„Mich trennt nur ein winziger Zufall davon, anderswo meine Wurzeln zu haben.“ Oder: „Vergiss nicht, dass das Leben kostbar ist. Und verlier nicht deinen Kopf. Wenn du ihn zu viel schüttelst, fällt er vielleicht runter.“ Es sind Sätze wie diese, welche im Gedächtnis bleiben. Sätze, die von einer großen Le-bensweisheit des Autors geprägt sind. Die Qualität der Dialoge ist ebenso tiefgründig wie empathisch den Romanfiguren gegenüber. Da ist zum Beispiel die Geschichte von Sally aus La Union, die endlich eine richtige Frau sein will. Und die ihre schrecklichen Erinnerungen an den Bischof mit Jan teilt. Besonders authentisch sind auch die vielen philippinischen Wörter und Begriffe, mit denen der Roman gespickt ist.
3. Die Atmosphäre
Die besondere Beobachtungsgabe des Autors ermöglicht eine authentische Reise in den fünftgrößten Inselstaat der Welt. Mit den Philippinen seit einem halben Leben verbunden, wandelt er seine zahlreichen „Bilder im Kopf“ unfassbar präzise in Sprache. Es sind die vielen Details, die dabei helfen, diese Welt zu erschließen. Die Flora und Fauna, von blühenden Reisfeldern über Wasserbüffel und Reiher, werden beim Lesen ebenso lebendig wie das tropische Klima und die ganzjährig konstant hohen Temperaturen. Dabei werden alle Sinne angesprochen, vor allem der Geruchs- und Geschmackssinn. Der Duft von Knoblauch beim Kochen geht dem Lesenden ebenso in die Nase wie der Besuch einer Eisdiele zum kulinarischen Highlight wird. Besonders in Erin-nerung geblieben ist mir der „lebenstrunkene“ Verzehr eines Salates mit essbaren Blüten. Und in meinen Ohren höre ich die knatternden tricycles.
4. Die Welt
Fiktiv und wahr zugleich. Unvorstellbar ist das Leid einiger Romanfiguren und die Schwere der Themen wie Korruption, prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen oder Armut und Hunger. „Die Philippinen brauchen eine grundstürzende Veränderung, eine wirkliche Revolution.“, heißt es im Roman. Darüber kann auch kein nahender Sonnenuntergang mit einem farblichen Feuerwerk aus orange, rosa und violett in einer paradiesischen Kulisse hinwegtäuschen.
5. Die Originalität
Christoph Dehn schenkt uns mit seinem Debüt gleich mehrere Romane in einem. Das wird im Kontext einiger Songs deutlich, die in einer Karaoke Lounge gesungen werden. „My way“ steht für Jan als einen Mann, der auf sein Leben zurückblickt. „I will always love you“ deutet die Liebe Jans zu seiner Tochter Jule an, aber auch eine alte Liebe, die vielleicht noch nicht ganz verloren ist. „Where have all the flowers gone“ verweist als Anti-Kriegs-Song auf die sinnlose Erfahrung von Leid, die an vielen Stellen des Romans deutlich wird. Prädikat: besonders wertvoll.
Christoph Dehn
Prädikat: besonders wertvoll.
Christoph Dehn
Paraiso. Das verborgene Paradies
AT Edition Münster, 2021
300 Seiten, 19,90 €
ISBN 978-3-89781-276-5
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